– Indien

Ein Ort des Tanzes und der Bildung. Erfahrungen eines Freiwilligeneinsatzes in Kalkutta

Susanne Kleinoscheg verbringt von Jänner bis März 2020 einen Freiwilligeneinsatz im Projekt „Kalahrdaya“ des Jesuiten Saju George SJ in Kalkutta. Sie ist Theologin und unterrichtet Religion und Ethik im WIKU-Graz.

Tanz kann viel verändern

Der Tanz hat in Indien eine sehr lange Tradition. Pater Saju SJ versucht diese Erfahrungen und das darin enthaltene Wissen weiter zu geben. Immer wieder erhält er Anfragen zu einem Thema und stellt alte Elemente neu zusammen. Die drei Basiselemente des klassischen indischen Tanzes sind: Satyam – Sivam – Sundaram (Wahrheit – Gott – Schönheit). Man verwendet Sanskrit als Sprache für die wichtigsten Ausdrücke. Die Lehrerinnen unterrichten jedoch nicht in Sanskrit, da diese Sprache für ihre Schülerinnen zu schwierig ist. Jedoch zeigt sich daran die Komplexität des Tanzes, da Sanskrit eine der komplexesten Sprachen ist. 

Am 23. Februar 2020 führten die SchülerInnen mit P. Saju ein neues Programm vor. Für diese Komposition würde man in Indien den Namen „Natya“ verwenden – was so viel bedeutet wie: Tanz, Drama und Musik zusammen ergeben ein Stück. P. Saju trug die Textteile vor und unterlegte sie choreographisch; dazwischen wurden immer wieder Inhalte getanzt, wobei die Musik und die Lieder die Geschichten weiter erzählten.

Der Inhalt des Tanzdramas ist das Leben von P. Ante Gabric. Er wurde im Februar 1915 in Kroatien geboren und starb im Oktober 1988. Er nahm sich der Bevölkerung in Baruipur an, einer Stadt in der Region Kalkuttas. Zusammen mit Mutter Teresa brachte er den Ärmsten in dieser Region alles, von Essen bis zur Bildung. Seine Liebe zum Land und zum Volk zeigt sich z.B. darin, dass er die Bucht von Bengalen mit dem Rad erkundete; immer wieder musste er absteigen und das Rad durch den Sumpf tragen. Sein Lebenswerk wird nun auch nach seinem Tod weitergeführt, und Schulen und Krankenhäuser sind nach ihm benannt.

Nachdem P. Saju nicht einfach nur ein Tanzlehrer ist, sondern sich ein umfassendes Wissen über Philosophie und Spiritualität des Tanzes angeeignet hat, wird er als Guru angesehen. Seine SchülerInnen bringen im sehr viel Respekt entgegen. Am Beginn jeder Stunde gibt es ein festgeschriebenes Gebet mit Gesten und Tanz. Der Sinn des Gebets liegt darin, den Tänzer mit seiner Umgebung zu verbinden und ihn zur Konzentration zu befähigen; und es zollt dem Tanzlehrer Respekt. Dieses Gebet (Angikam) beendet auch jede Stunde. Dazu stellen sich die SchülerInnen am Ende der Stunde für den Segen der Tanzlehrerin an.

Natürlich bedarf es viel Übung, um der göttlichen Schönheit Ausdruck zu verleihen. Nachdem die Schülerinnen mit jeder Geste einen bestimmten Inhalt erzählen, muss jede Geste perfekt getanzt und gezeigt werden. Der ganze Körper tanzt mit. Der Mimik des Gesichtes wird dabei eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet, da sie dem Tanz noch einmal mehr Leben und Empfindungen einhaucht.

Indien erleben als Freiwillige

Das Leben, das mir hier in Indien begegnet, ist sehr unterschiedlich: unterschiedlich zu meinem Leben in Österreich und unterschiedlich je nach Blickwinkel zum Leben vieler Menschen in Indien. Die Menschen essen mit den Fingern und verwenden dabei nur die rechte Hand. Es gibt überall Wasser und man wäscht sich auch sehr oft – aber eine Dusche ist eher die Ausnahme. Jede Mahlzeit ist warm und meist viel stärker gewürzt als in Österreich. Inder lieben Chilli und die unterschiedlichsten Currymischungen. Fast jede Familie hat ihre eigene Mischung und je nach Region kommen auch unterschiedliche Gewürze dazu. Das Leben findet zwischen 8.00 Uhr und 12.00 Uhr und dann je nach Wärme und Jahreszeit wieder ab 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr statt.

Der Verkehr ist ein ganz eigenes Schauspiel. Es ist nicht einmal vergleichbar mit dem Verkehr in Athen oder Rom. In den Städten ist Verkehrsstau ein Dauerzustand, obwohl sich nur reiche Menschen ein Auto leisten können. Rad, Tuktuk, Moped, Bus und U-Bahn werden von sehr vielen Menschen genützt. Es gibt zwar offiziell Regeln im Straßenverkehr, aber sie werden sehr locker genommen. Jeder überholt auf allen Seiten und die Hupe ist das wichtigste Kommunikationsmittel. In Indien fährt man aber viel langsamer als in Europa, und die Straßen sind in einem sehr schlechten Zustand. Für 100 Kilometer benötigt man, wenn es gut geht, nur zwei Stunden. Auch der Einkauf läuft anders ab: Es gibt zwar in den Städten Kaufhäuser im europäischen Sinn, nur wird das meiste am Straßenrand gekauft. Dort findet und bekommt man alles. Die Frauen gehen z.B. jeden Morgen frisches Gemüse einkaufen. Hier zeigt sich schön, dass arm und reich nebeneinander leben.

Wie erlebe ich das Zentrum?

P. Saju ist der Leiter des Ortes. Er hat 1000 Ideen gleichzeitig im Kopf und versucht gewissermaßen auf drei Hochzeiten zugleich zu tanzen. Wenn er vor Ort ist und man seine Hilfe braucht oder etwas besprechen will, nimmt P. Saju sich immer Zeit. Der zweite Priester im Zentrum ist P. Thottam. Er ist der wirtschaftliche Verwalter und immer da. Trotz seines Alters ist er sehr aktiv und liebt es, über Politik und Theologie zu diskutieren. Die Menschen dieser Region haben vor ihm eine sehr große Achtung, da er als Schuldirektor vielen Kindern aus armen Fami­lien geholfen hat. Viele verdanken ihm eine gute Schulbildung, und manchen hat er sogar zu einem Studium verholfen. Er soll früher sehr streng gewesen sein, heute ist er ein nachsichtiger und weiser Mensch.

Zwei geistliche Schwestern leben ebenfalls hier. Sr. Ranjana ist ausgebildete Krankenschwester. Sr. Julita beendet gerade ihren Master in Englisch. Beide helfen überall mit, wo sie gebraucht werden: sei es in der Kirche, in der Küche oder auch in seelsorglichen Gesprächen mit Menschen. Zwei Köchinnen versorgen uns mit wunderbarem Essen. Sie wohnen außerhalb und kommen jeden Tag. Der Vorteil für mich als Österreicherin ist dabei, dass in Westbengalen nicht sehr scharf gekocht wird.

Zwei Männer kommen jeden Tag in die Anlage und verrichten die verschiedensten Arbeiten. Unser Verwalter ist Rajesh: er geht mit seinem Moped für uns einkaufen, schaut, dass alle Kinder zu den unterschiedlichen Stunden kommen und hilft P. Saju, wo es ihm möglich ist. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in einem benachbarten Ort. Als LehrerInnen kommen an manchen Tagen zwei TanzlehrerInnen, ein Lehrer für die bildnerische Erziehung sowie ein Musiklehrer. Wir Freiwillige sind für die Englischstunden und sonstige Hilfsarbeiten in Küche und Garten zuständig. Als Freiwillige haben wir hier sehr viele Freiheiten, da P. Saju meint, wir sollen selber unsere Augen aufmachen und sehen, wo wir helfen und arbeiten können. 

Neues Haus

Wenn das neue Haus im Mai fertiggestellt ist und das College beginnt, wünsche ich Kalahrdaya, dass es weiterhin viel Unter­stützung von Freiwilligen und anderen Personen bekommt. Denn was hier in die Bildung von jungen Menschen investiert wird, zieht wunderbare Kreise. Und umgekehrt ist es ein Ort des Dialogs zwischen Kulturen und Religionen.

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