Nachbarschaftszentren: erste Schritte in ein neues Syrien (Oktober 2018)
Syrien, ein Trümmerfeld. Fast 12 Millionen Menschen mussten seit Beginn des Krieges 2011 das Land verlassen oder in andere Landesteile umsiedeln. Betroffen ist vor allem die christliche Minderheit. Von ehemals fast zwei Millionen leben nur noch 700.000 im Land. Viele Menschen kehren jetzt zurück. Sie wollen ihr Land wiederaufbauen. Dabei hilft ihnen – ob Christen oder Angehörigen einer anderen Religion – der Jesuiten- Flüchtlingsdienst (JRS). An den Standorten Jaramana, Al-Kafroun und Al-Sakhour errichtet der JRS derzeit drei Nachbarschaftszentren (Community Centres), um insgesamt 1.590 Kindern Perspektiven zu geben – durch eine Mahlzeit, Kleidung für den kommenden Winter und vor allem Unterricht.
Nachbarschaftszentren für Frieden und Versöhnung: Helfen Sie mit!
Drei Nachbarschaftszentren in Jaramana, Al-Sakhour und Al-Kafroun setzen ein Zeichen in einem Land, dessen Infrastruktur in weiten Teilen zerstört ist. Wenn die Waffen schweigen, kommen die Menschen zurück.
Jaramana: Unterstützung für 550 Kinder
Jaramana ist ein ländlicher Ort östlich der syrischen Hauptstadt Damaskus, der in den letzten Jahren viele Binnenflüchtlinge aufgenommen hat. Jaramana ist ein dicht besiedeltes Gebiet, in dem Menschen mit verschiedenen sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen zusammenwohnen. Mit dem neuen Community Centre will der JRS eine Botschaft des Friedens und der Versöhnung in diese Gemeinschaft tragen.
Al-Kafroun: Unterstützung für 800 Kinder
Das Dorf Al-Kafroun befindet sich etwa 50 Kilometer entfernt von der Stadt Homs. Seit Beginn des Konflikts strandeten hier viele vertriebene Familien aus allen Landesteilen. Die meisten Flüchtlingskinder in Al-Kafroun leiden unter schweren psychischen Problemen und kommen aus zerrissenen Familien; für sie gibt es keinen Platz in den öffentlichen Schulen.
Al-Sakhour: Unterstützung für 240 Kinder
Al-Sakhour liegt im Osten Aleppos und ist seit vier Jahren Schauplatz schwerer bewaffneter Zusammenstöße. Die beispiellose Zerstörung hat nichts und niemanden verschont. Viele Flüchtlinge, die heute in Al-Sakhour leben, sind Witwen, Waisen, versehrte und traumatisierte Menschen.
Trauriger Alltag – Hoffnungsvolle Ahnung (Februar 2018)
Die Lage in den kurdischen Gebieten im Nordwesten Syriens eskaliert nach dem Einmarsch türkischer Truppen weiter. Doch auch andere Regionen des seit nunmehr sieben Jahren bürgerkriegsgeplagten Landes kommen nicht zur Ruhe. Pater Nawras Sammour ist Regionaldirektor des Jesuiten-Flüchtlingsdienst im Nahen Osten mit Sitz in Damaskus und berichtet von permanenter Unsicherheit, Gewalt und Vertreibung. Ein deutscher Pfarrer, der Augsburger Ulrich Lindl, hat sich ein Bild von der Situation in Damaskus und im libanesischen Baalbek gemacht, wo viele syrische Flüchtlinge gestrandet sind. Pfarrer Lindl leitet die weltkirchliche Arbeit im Bistum, das die Bildungsarbeit des JRS im Libanon unterstützt.


Die Situation bleibt ernst
„Am 19. Januar haben uns tragische Nachrichten erreicht: 12 syrische Flüchtlinge sind auf der Flucht ins Nachbarland Libanon im Gebirge erfroren. Wir waren entsetzt, aber leider ist das in unserem Teil der Welt trauriger Alltag geworden. Vor ein paar Tagen habe ich sieben junge Männer getroffen, die es in die libanesische Hauptstadt Beirut geschafft haben und sich so dem Militärdienst in Syrien entziehen konnten. Alle von ihnen sind gut ausgebildet. In Syrien waren sie in unseren Pfarreien aktiv und bei den Pfadfindern. Es ist nicht leicht zu ertragen, unter welchen Umständen sie jetzt leben müssen: Kaum Wohnraum, dennoch hohe Mieten und keine Aussichten auf Arbeit. Wir Jesuiten können sie hier und da etwas unterstützen, aber haben auch unsere Grenzen.
Neue Fluchtwelle nach Aleppo
Für all jene, die in Syrien ausharren, ist das Leben sehr unsicher und riskant. Damaskus und andere Gebiete werden in schrecklicher Regelmäßigkeit durch Bombenanschläge erschüttert. Die Angriffe der Türkei auf Afrin betreffen Tausende; viele sind nach Aleppo geflohen. Trotz der vielen Herausforderungen und Rückschläge erreichen wir als JRS die Flüchtlinge und Vertriebenen in Syrien, im Irak, im Libanon, in Jordanien mit Angeboten im Bildungsbereich, gesundheitlicher und psychosozialer Betreuung und Lebensmittelpaketen. Vor allem tun wir unser Bestes, um inmitten der Flüchtlinge, Vertriebenen und Ausgeschlossenen zu sein – ihnen zu dienen, sie zu begleiten und ihnen eine Stimme zu geben.“
Fr. Nawras Sammour SJ
Regionaldirektor Jesuiten-Flüchtlingsdienst (MENA Region)
Die Menschen leiden
Der 15. März 2014 markiert den traurigen dritten Jahrestag der Krise in Syrien. Was 2011 mit Demonstrationen junger Studenten für Demokratie und friedlichen Protesten gegen das Regime von Baschar al-Assad begann, hat sich zur größten humanitären Notlage unserer Gegenwart ausgeweitet. Mehr als neun Millionen Syrer sind auf Hilfe angewiesen, zwei Drittel von ihnen sind Flüchtlinge im eigenen Land. Krieg und Gewalt haben sie aus ihren Häusern vertrieben, ganze Viertel wurden zerstört, Schulen mussten schließen, Arbeitsplätze gingen verloren, Preise explodierten. In belagerten Orten wie der Altstadt von Homs, leiden Familien an Mangelernährung und Hunger. Mehr als 150.000 Todesopfer hat der Konflikt bisher gefordert und durch die zusammengebrochene Gesundheitsversorgung sind in einigen Regionen Syriens wieder Krankheiten wie Polio, Tuberkulose und Typhus ausgebrochen. Die Menschen leiden. Und viele Nachbarländer sind durch die hohen Flüchtlingszahlen längst am Rande ihrer Kapazitäten angelangt: Allein im kleinen Libanon sind eine Million Flüchtlinge aus Syrien untergekommen. Jordanien, Türkei, Irak und Ägypten sind weitere Aufnahmeländer der insgesamt drei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Region.
Netzwerke der Hilfe
Über syrische Jesuiten, die mit lokalen Freiwilligen in Damaskus, Homs und Aleppo gut funktionierende Netzwerke der Hilfe aufgebaut haben, ist der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) eine der wenigen Organisationen, die nach wie vor die Notleidenden im Land selbst erreichen. Junge Christen und Muslime besuchen gemeinsam die Flüchtlingsfamilien, verteilen Decken, Matratzen, Kochgeschirr, Lebensmittel, helfen bei der Wohnungssuche, organisieren Betreuung, Unterricht, Spiele und Sport für die Kinder, um ihrem Alltag zumindest den Anschein verlässlicher Normalität zu geben.
„Eine Mörsergranate kann überall landen“
„Eigentlich gibt es keine wirklich sicheren Gegenden mehr in Syrien. Eine Mörsergrante kann überall und zu jeder Zeit landen“, erklärt Nader, der in Damaskus für den JRS arbeitet. „Am meisten macht mir zu schaffen, dass du nicht weißt, ob du die anderen jemals wiedersehen wirst, wenn du morgens aus dem Haus gehst“, sagt ein anderer Freiwilliger. Pater Nawras Sammour betont vor allem das Gefühl der Verlassenheit: „Nach so viel andauernder Gewalt sind die meisten in Syrien wirklich müde – müde und frustriert. Wir fühlen uns alleingelassen. Wir brauchen in Syrien mehr internationale Präsenz.“
Begleitung und Bildung
Der Flüchtlingsdienst der Jesuiten hilft über die verschiedenen Programme mehr als 300.000 Menschen in Syrien und den Nachbarländern Libanon, Jordanien und der Türkei. Die Begleitung über Hausbesuche ist eine zentrale Säule der Arbeit. Denn das schafft Nähe und Vertrauen. Weitere Schwerpunkte sind psychosoziale Unterstützung und Bildungsprojekte für Kinder und Erwachsene. Die Jesuitenmission konnte die Nothilfe für syrische Flüchtlinge dank Ihrer Hilfe bisher mit 1,5 Millionen Euro unterstützen. Für jede Spende, jedes Gebet und jedes Zeichen der Solidarität danken wir Ihnen herzlich!
Weitere Informationen:
- April 2015: Frans van der Lugt – Jahresgedenken an einen Mann des Friedens
- Februar 2015: Raketenangriffe auf Wohngebiete – Eine Pressemitteillung des JRS
- Januar 2015: Flüchtlinge im Libanon – Interview mit Pater Stefan Hengst
Danke für Ihre Hilfe!
Seit 2008 arbeitet der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) in Syrien und Jordanien. Damals ging es vor allem um die Begleitung irakischer Flüchtlinge. Heute ist der JRS eine der wenigen Organisationen, die nicht nur in den Nachbarländern, sondern auch noch in Syrien selbst den Flüchtlingsfamilien helfen können. Danke für Ihre Spende!
Informationen über die Arbeit des JRS im Nordirak finden Sie hier: -> Nothilfe Nordirak